Bürgergeld statt Hartz IV: Ab 1.1. 2023 soll das neue Bürgergeld die alte Grundsicherung ersetzen. Damit vollzieht sich 20 Jahre, nachdem die Hartz-Kommission ihren Bericht zur Arbeitsmarktreform vorlegte, der als Grundlage für die tiefgreifenden Hartz-Reformen diente, ein fundamentaler Wandel des Sozialstaats.

Kein Absturz nach zwölf Monaten

Während im Hartz-IV-System Menschen, die arbeitslos wurden, nach zwölf Monaten Arbeitslosengeld-Bezugs mit dem Eintritt in die Grundsicherung ihr Vermögen zu großen Teilen auflösen und ihren Wohnraum verlassen mussten, wenn dieser nicht „angemessen“, also etwa zu groß war, wird mit dem Bürgergeld eine Karenzzeit von zwei Jahren eingeführt. In dieser Zeit werden die tatsächlichen Kosten für die Unterkunft und die angemessenen Heizkosten übernommen. Und das Ersparte muss nicht aufgebraucht werden – sofern es sich nicht um erhebliches Vermögen handelt. Als erheblich gelten 60.000 Euro für die leistungsberechtigte Person und 30.000 Euro für jede weitere Person in der Bedarfsgemeinschaft. Bei einer vierköpfigen Familie wären dadurch zum Beispiel 150.000 Euro Erspartes geschützt.

Nicht nur während der ersten zwei Jahre (Karenzzeit) gelten für die Vermögensprüfung höhere Freibeträge. Auch nach Ablauf dieser Karenzzeit wird die Vermögensprüfung entbürokratisiert und die Freibeträge für die Bürgergeldbeziehenden werden angehoben. Auch die bei selbstgenutzten Hausgrundstücken oder Eigentumswohnungen als angemessen anerkannten Wohnflächen werden in größerem Umfang als bisher freigestellt. Die weiteren vollständig freigestellten Vermögensgegenstände werden erweitert. So sind künftig alle Versicherungsverträge, die der Alterssicherung dienen, nicht als Vermögen zu berücksichtigen. Damit wird der Lebensleistung der Menschen mehr Respekt entgegen gebracht als bisher.

Das Bürgergeld gibt den Menschen, die ihren Job verlieren, also Sicherheit, statt sich nach Ende des Arbeitslosengelds mit Verlustängsten plagen zu müssen. Sie können sich stattdessen während der Karenzzeit von zwei Jahren darauf konzentrieren, wieder Fuß auf dem Arbeitsmarkt zufassen und ihre Qualifikation zu verbessern.

Ausbildung vor Aushilfsjobs

Das Bürgergeld unterstützt mehr als bisher auf dem Weg in langfristige, nachhaltige Beschäftigung, statt auf schnelle Vermittlung zu setzen.

Die bisherige Eingliederungsvereinbarung wird durch einen Kooperationsplan ersetzt – ein „roter Faden“ im Eingliederungsprozess –, der zwischen Leistungsberechtigten und Jobcentern erarbeitet wird. Es wird im Gesetz geregelt, dass die erste Einladung zu einem qualifizierten Beratungsgespräch zur gemeinsamen Erstellung von Potenzialanalyse und Kooperationsplan immer ohne Rechtsfolgenbelehrung erfolgt und dass diese Verfahrensweise beibehalten wird, solange die Leistungsberechtigten ihren Pflichten nachkommen. Wenn der Termin zustande kommt, erfolgen auch Einladungen zu weiteren Gesprächen ohne Rechtsfolgenbelehrung. Erst nach Nichterscheinen ohne wichtigen Grund zu einem Gesprächstermin erfolgt eine Einladung zu einem weiteren Gespräch grundsätzlich mit Rechtsfolgenbelehrung. Dabei soll durch aufsuchende Beratung herausgefunden werden, warum jemand ggf. nicht zur Mitwirkung in der Lage ist.

Sobald ein erster gemeinsamer Kooperationsplan erarbeitet ist, gilt eine sechsmonatige Vertrauenszeit, in der auch bei einem ersten Meldeversäumnis keine Leistungskürzungen eintreten. Es erfolgen in dieser Zeit keine Rechtsfolgenbelehrungen und auch keine Leistungskürzungen wegen einer Pflichtverletzung. Außerhalb dieser sechs Monate besteht die Kooperationszeit. Die Zusammenarbeit zwischen Integrationsfachkräften in den Jobcentern und erwerbsfähigen Leistungsberechtigten erfolgt in dieser Zeit grundsätzlich ebenfalls ohne Rechtsfolgenbelehrungen, so lange die Zusammenarbeit gut funktioniert.

Der Vermittlungsvorrang, also die Vermittlung in Jobs – mitunter auch Hilfstätigkeiten –, wird abgeschafft, um insbesondere Geringqualifizierte auf dem Weg zu einer Berufsausbildung zu unterstützen oder zielgerichtete Weiterbildung zu ermöglichen. Mittlerweile werden händeringend gut ausgebildete Arbeits- und Fachkräfte gesucht. Deswegen soll mit dem Bürgergeld auch die berufliche Weiterbildung stärker gefördert werden: Wer sich für eine Ausbildung oder Umschulung entscheidet, soll intensiver unterstützt werden. Der Grundsatz „Ausbildung vor Aushilfsjob“ gilt künftig noch stärker. Es ist auch Coaching oder ein monatliches Weiterbildungsgeld in Höhe von 150 Euro vorgesehen. Wenn Leistungsberechtigte an einer Maßnahme teilnehmen, die für eine nachhaltige Integration in den Arbeitsmarkt besonders wichtig sind, erhalten sie einen Bürgergeld-Bonus von 75 Euro.

Die Regelung zur Förderung für den sozialen Arbeitsmarkt wird entfristet. Ziel der Förderung ist es, besonders arbeitsmarktfernen Menschen soziale Teilhabe durch längerfristige öffentlich geförderte Beschäftigung zu ermöglichen und Übergänge in nicht geförderte Beschäftigung zu erreichen. Bislang ist die Regelung bis 31. Dezember 2024 befristet.

Höhere Regelsätze

Mit der Einführung des Bürgergelds wird der Regelsatz um etwa 50 Euro erhöht und künftig zeitnäher an die Inflation angepasst, um Preissteigerungen besser abzubilden.

Im parlamentarischen Verfahren konnte die SPD-Fraktion eine Reihe von Verbesserungen erreichen:

  • Künftig sollen Reha-Bedarfe im Beratungsprozess besser erfasst werden.
  • Ein mögliches Coaching nach Vermittlung in Arbeit soll nicht nur auf sechs Monate begrenzt sein, sondern im Einzelfall bis zu neun Monaten einsetzbar sein.
  • Wenn jemand ein kleines Erbe erhält, wird es nicht als Einkommen gewertet und nicht vom Regelsatz abgezogen, sondern als Vermögen betrachtet und nur angerechnet, sofern die Vermögensfreibeträge überschritten werden.
  • Taschengeld beim Bundesfreiwilligendienst wird freigestellt, auch hier gilt für Jugendliche unter 25 Jahren, dass darüber hinausgehendes Einkommen bis insgesamt 520 Euro nicht angerechnet wird.
  • Zudem hat die SPD-Fraktion erreicht, dass Arbeitslosengeld II (künftig Bürgergeld) im Monat der Arbeitsaufnahme nicht mehr auf einen Schlag zurückgezahlt werden muss, wenn jemand eine Arbeit aufgenommen hat und nur deshalb Bürgergeld-Leistungen erhalten hat, weil das Gehalt erst am Monatsende gezahlt wird. Eine Rückzahlung erfolgt dann in monatlichen Raten in Höhe von 10 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs und nicht mehr in einem Betrag.